Nun heisst es für mich langsam Richtung Westküste aufzubrechen und damit dem Ende meiner unglaublich tollen Reise entgegen zu sehen. Doch noch ist es nicht soweit für melancholische Gedanken. Die eintönige Nullorbourebene wartet noch auf mich. Eine Entfernung von ca.1200km , gemessen von Ceduna bis Norseman.
Und dabei ist noch ein ganz besonderer Leckerbissen dabei. Ein Abstecher vom Eyre- highway zu den ca. 100 km parallel verlaufenden Bahnschienen. Eine winzige Bahnstation namens „Cook“, schaut mal auf eurer Landkarte ,wartet auf mich . Diese soll nur an drei Tagen in der Woche besetzt sein. Keine Ahnung was mich dort erwartet. Nur ein winziges Schild weisst darauf hin, wäre auch beinahe daran vorbei gefahren. Eigentlich will ich nur testen wie der Zustand der Piste ist und so fahre ich immer weiter ins Nichts. Kilometer um Kilometer. Gefangen genommen von dieser unglaublichen Weite . Das Auge findet keinen Halt am Horizont. Auch kein Tier zu sehen ,weder Lurch noch Kängurus noch Vögel. Und dabei absolute Stille. OK , na gut , mein Tinnitus pfeift so vor sich hin, aber sonst ist alles still.
Langsam, aber immer weiter in mir hochkriechend kommt ein leichtes Unbehagen auf , wenn jetzt etwas passiert. Wieder die Benzinpumpe oder irgend etwas anderes, was ich nicht selbst reparieren kann passiert. Oder ein blöder Sturz mit einem gebrochenem Schlüsselbein, dann war es das.
Dabei kommt mir ein Spruch, den ich vor kurzem gelesen habe , in den Sinn. „Absolute Freiheit gibt es nur bei absoluter Einsamkeit“. Ja, und in diesem kurzem Augenblick fühle ich mich wirklich frei. Etwas beängstigend aber umso faszinierender. Mit einem 4WD mit Aircon oder mehreren Personen wird man dieses sicher nicht so erleben. Ein sehr ungewohntes Gefühl. Wer das Video noch nicht gesehen hat, kann es hiermit tun. Ist natürlich nicht mit dem realen Erleben zu vergleichen.
So fahre ich denn immer tiefer in das mir Unbekannte und werde dabei auch immer schneller. Die Piste lässt sich sehr gut fahren, trotzdem heisst es Obacht geben. Zwei Stellen sind dabei wo in Lehmpfützen 4WD durchgefahren und die Spurrillen steinhart getrocknet sind. Als Moppedfahrer kann sich dort leicht das Vorderrad verkanten und man geht über den Lenker, gerade mit meinem schwerem Eisenschwein.Aber netter Weise haben an dieser Stelle ein paar Aussies “ Wet Floor “ Hütchen aufgestellt.
Aber es geht alles gut, bis ich ganz weit entfernt einen Mast erkennen kann je näher ich komme umso mehr Gebäude entdecke ich. Im letzten Moment erkenne ich, dass sich die Strasse teilt und ich muss voll in die Eisen gehen, was aber nichts hilft, da das ABS nur am rattern ist und ich somit fast geradeaus fahre. Im Gelände ist das echt Mist.
So habe ich mir die Station nicht vorgestellt.
Ich treffe einen sehr bärtigen aber auch wortkargen Mann, er erzählt mir das er 400 km entfernt von hier wohnt. Ich fotografiere noch den Diesel tankenden Zug. Und dann geht es wieder zurück. Habe natürlich auch viel zu wenig Wasser dabei. Jetzt da ich die Strecke kenne und weiss was mich erwartet kann ich die Dicke fliegen lassen. 120 km/h sind locker möglich.
Dieser kleine Abstecher waren eben mal 212 km. Und keiner davon war langweilig;-)
Aber es ist spät geworden und ich muss eine Schlafmöglichkeit finden. In Eucla sind die ersten Buschcamps voller grosser Löcher von dann auch wahrscheinlich grossen Ameisen. Tausende von Löchern. Hier bleibe ich auf keinen Fall.
Es wird schon dunkel und ich finde im letztem Augenblick,im Nationalpark und in der Nähe einer alten verlassenen Telegrafenstation und ein im Endstadium verwesendem Kängurus, einen Platz für mein Zelt. Der Wind rüttelt heftig daran, aber irgendwann schlafe ich ein.
Nächster Morgen. Nun geht es weiter Richtung Norseman. ca. 710km drei Roadhäuser liegen dazwischen. Es ist Sonntag und recht viel Verkehr auf den Strassen. Naja, für australische Verhältnisse. Alle 10 min. ein Truck. Dann in der Ferne,baut sich eine immer bedrohlicher werdende Gewitterfront auf. Das kenne ich schon, siehe „Rider on a Storm“ dachte ich ! Aber jetzt führt die Strasse mitten hindurch und nicht aussen herum. Auch sind hier kein Bäume, die die Blitze evt. abfangen könnten. Und es sind wirklich viele Blitze. Zum nächstem Roadhouse muss ich noch ca. 25 km fahren . Nicht wirklich weit. Ein Katzensprung könnte man meinen. Mir kommen sie ewig vor. Aber ich komme heil an und wettere den Regen aus, bei einem Kaffee.
Irgendwann verzieht sich auch dieser Sturm und ich fahre weiter. Bis zum nächsten Roadhoues, kurze Pause und weiter geht`s. Bis zum nächstem Roadhouse. Warum ich das so erzähle erfahrt ihr gleich. Denn dort begegne ich einem anderem BMW-fahrer ( F 700 GS) , John, wir unterhalten uns angeregt . Danach fährt er weiter, in die entgegengesetzte Richtung und ich gehe auf die Toilette.
Als ich wiederkomme, bemerke ich, dass mein TOPCASE fehlt!!!!!!
Ach du SCHEISSE!!! Mir wird ganz anders. Erst werde ich bleich, dann verkrampft sich der Magen, danach werden die Beine wie Butter. In dem Topcase waren mein Laptop, mit über dreitausend Fotos sowie wichtige Daten, desweiteren ALLE ! meine Unterlagen. Pass, „Carnet de Passage“, int. Führerschein, int.KFZ-Schein, Flugticket, Zollbestätigung für die BMW, Visum, Unterlagen für die Verschiffung etc.
Jetzt fängt der Kopf an zu rotieren. Dies ist neben einem Unfall mit Verletzungen und Motorschaden das Zweitschlimmste was passieren kann.
Was ist passiert? Verloren oder Geklaut? Wo habe ich es zuletzt gesehen? Sofort zurück fahren und die Strecke absuchen! Das mache ich denn auch! Während ich also die Strassenrand absuche , läuft mein Gehirn auf Hochtouren. Was ist genau passiert? Was muss ich tun, falls ich das Topcase nicht wiederfinde? Und zwischendurch immer wieder „Ach du Sch…..“ Die Frau beim ADAC meinte extra noch, „auf keinen Fall das Carnet verlieren“ sonst gibt es die 1500 ,- Kaution nicht wieder.
Was ist mit dem Pass, muss ich zur Botschaft usw. usw.
Wann habe ich das letzte mal das Topcase bemerkt? Ich habe doch Fotos vom Gewitter gemacht und auch Videos während der Fahrt. Damit könnte ich doch vielleicht den Umkreis etwas eingrenzen. So komme ich dann Sorgenerfüllt wieder an dem vorangegangenem Roadhouse an und sehe John , den Biker von vorhin, beim tanken. Ich erzähle ihm davon und er will seine Augen auf dem Strassenrand richten. Während er weiter seine Reise fortsetzt, fahre ich nun wieder zurück zur letzten Station wo ich der Verlust bemerkt habe, um bis dorthin auf der anderen Strassenseite abzusuchen. Wieder erfolglos. Wohlgemerkt ,dieses sind jeweils immer ca.70 km gewesen. Was jetzt? Die nächste Polizeistelle ist in Eucla wo ich heute morgen gestartet bin. 365 km wieder zurück. Es nützt ja nichts, probieren muss ich es! Also im langsamen Tempo ca. 70km/h den Strassenrand absuchen. Natürlich frage ich auch an jeder Tankstelle ob etwas gefunden wurde. Leider erfolglos! Im Dunkeln treffe ich in Eucla ein und übernachte an demselben Ort. Dort sehe ich mir die Bilder auf der Kamera genauer an und erkenne dabei, dass ich auch jeden Fall 120 km mit dem Topcase gefahren sein muss. D.h. es kann auch an einer Raststätte gestohlen worden sein. Da war doch ein so komisches Pärchen dabei. Und siehe da, da sind sie wieder, meine verloren geglaubten Vorurteile.
Nun endlich schlafen, mal schauen was der neue Tag bringt.
Montag morgen, nach einer unruhigen Nacht geht’s zur Polizei. Bin gespannt wie die das hier handhaben. Einer der Polizisten ist ziemlich stark tätowiert, aber seine überaus hübsche Kollegin, mit mehr Schmuck als in Deutschland zulässig, nimmt sich meiner an. Nachdem sie alle Daten aufgenommen hat, bekomme ich eine kleine Visitenkarte mit der Registrierungsnummer ausgehändigt.
Danach heisst es für mich die gesamte Strecke auf der anderen Seite absuchen und dann noch ein Stück weiterfahren. Insgesamt habe ich nun ca. 700km Strecke abgesucht. In deutschen Verhältnissen bedeutet dies, von Hamburg bis Stuttgart, und dabei möglichst nicht die Konzentration verlieren. Leider sind meine Bemühungen völlig erfolglos. Mir bleibt nur zu hoffen, dass es einen ehrlichen Finder gibt. Und keiner versucht meinen Loptop zu hacken. Die Passwörter zu den meisten Websiten habe ich letzte Nacht schon mit dem Smartphone geändert.
Inzwischen bin ich in Norseman angekommen und muss mir überlegen wohin ich fahre. Die Entscheidung fällt auf Esperance. Dienstag vormittag komme ich dort an. Es ist leider ziemlich kalt mit 18° und bewölktem Himmel. Leicht deprimiert sitze ich bei MacDonalds, wärme mich auf und nutze den kostenlosen WiFi-Service. Alles irgendwie nicht so dolle im Augenblick. Da erreicht mich eine SMS. Jemand hätte meine „Belongings“ gefunden. Und ich möchte bitte zurückrufen. Yeaaah !!! Geil, ich wusste doch, dass ich mich auf meine Aussies verlassen kann. Hier klaut doch keiner . Jetzt geht alles recht schnell. Der Finder wohnt in Perth und von mir in Esperance aus, sind es bloss knapp 700km. Wir verabreden uns und ich fahre los, wieder mit einem Ziel vor Augen. Unterwegs übernachte ich noch beim „Waverock“ und mache ein paar Fotos. In Gedanken bin ich aber ständig bei dem Topcase und dem Inhalt.
Während Michael, der Finder, am Haus die Weihnachtsbeleuchtung bei 35° Aussentemperatur montiert, komme ich um die Ecke gefahren. Er erzählt mir wo und wie er das Topcase gefunden hat. Er hat das Schloss geknackt und dort meine Tel.nummer entdeckt, dadurch konnte er mich ausfindig machen. Es ist alles da, auch meine stinkenden Socken. 😉 Ich möchte ihm 200 $ Dollar geben, aber er lehnt ab. Für ihn und wahrscheinlich den meisten Aussies wäre das selbstverständlich. So nötige ich ihn dazu wenigstens 100 $ Finderlohn zu nehmen. Für mich immer noch um ein vielfaches günstiger als den ganzen Ärger mit der Bürokratie. Und ein neues Laptop. Obwohl das Topcase bei ca 110 km/h auf die Strasse geknallt sein muss , hat das gute Stück von SW-Motech nur zwei winzige Schrammen abbekommen.
Was für eine Reise!! Erst der Rücken, dann die Benzinpumpe, dann das zerbrochene GPS-Display, dann die Benzinpumpe relouded und nun noch das verlorene Topcase. Zwei Wochen zum erholen bleiben mir ja noch ;-))
Ach so, was ist denn nun genau passiert? Das Topcase hatte ich zwar abgeschlossen , aber im Dunkeln , dem Wind und der Hektik dabei das Zelt aufzustellen, habe ich nicht bemerkt das der Riegel nicht richtig eingerastet war. Da die Verbindung mit der Grundplatte recht stramm ist, hat sich das Topcase so lange halten können.
Das einzige was mich sehr stutzig macht, war die Aussage von Michael er hätte es kurz vor Norseman gefunden. Dort kann es unmöglich gewesen sein. Denn bis dorthin war ich noch nicht gekommen. Vielleicht hat ein anderer es gefunden und wieder rausgeworfen. Wer weiss !?
Hier noch ein paar Bilder von unterwegs.
Hauptsache ich habe meine Unterlagen wieder. Ganz dickes Smiley! 😉
Ich besuche John und seine Familie für einen Abend, die schon ganz mit den Vorbereitungen für Weihnachten beschäftigt sind. Der geschmückte Tannenbaum und die Geschenke für die Verwandten sind schon parat.
Einmal werde ich sie noch wiedersehen , aber vorher mache ich mich auf den letzten Abschnitt meiner Reise, Richtung Südwesten.
Jetzt zum Abschluss wieder ein paar Bilder zum lächeln.
Hallo Hinni, du kannst uns ja schön in Atem halten !
Dein Bericht liest sich ja bald wie ein Krimi mit gutem Ausgang. Das die Geschichte an die Nerven ging, will ich dir gerne glauben. Aber ich glaube auch,
deine Reise steht unter einem guten Stern.
So hoffe ich auch, das du den Rest deiner Reise ohne Schaden überstehst.
Ich wusste gar nicht, das du unter die Surfer gegangen bist. Das Surfen auf der Steinwelle ist auch nicht ganz ungefährlich, sind aber tolle Bilder.
Bis dann Ahoi Hinni !
Klingt zwar alles ziemlich unglücklich. Die erfreulichen Dinge überwiegen aber bei Weitem.
Hallo Hinni, man du machst ja Sachen ;O) … Ich verfolge deine Reise eher sporadisch, muß aber sagen: „Hut ab!“. Komm‘ gesund wieder und erhole dich noch in den letzten zwei Wochen.
Beste Grüße, Bernd & Anja
Schön von Euch zu hören. Hoffe es ist alles gut.
Hier ist es super, auch wenn es sich manchmal nicht so liest . 😉
Alles Gute und bis Bald
Hinni